Ingrid Redlich-Pfund

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Im Spiegel der Presse:



 





Einführungsvortrag zur Ausstellungseröffnung Ingrid Redlich–Pfund

„Auenlandschaften – Farbräume“ Malerei-Grafik-Objekte

von Christine Helmerich im AmperVerband Eichenau am 10. März 2015

 

Ingrid Redlich–Pfund ist in der Steiermark geboren und lebt jetzt mit ihrer Familie im Landkreis FFB, in Eichenau.
Sie studierte Malerei und Grafik in Essen, an der Folkwang Akademie der Künste, außerdem an der Europäischen Akademie für Bildende Kunst in Trier.

1989 erhielt sie den Kunstpreis des Landkreises FFB

Aus der Rede, die Reinhard Fritz zur Eröffnung der Ausstellung von Ingrid Redlich-Pfund im Üblacker-Häusl in München hielt, möchte ich ein paar Sätze zur Malerfamilie Redlich übernehmen.

Ingrid Redlich-Pfund entstammt einer Malerfamilie. Die Malerfamilie geht auf Carl Friedrich von Redlich zurück, der 1823 in Bayreuth geboren wurde.
Aus einer Veröffentlichung des „Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum“, in der alle Künstlerpersönlichkeiten dieser Familie über mehrere Generationen ausführlich beschrieben werden und die auf Seite 75 mit der Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund enden, entnehme ich folgenden interessanten Satz:

„Warum entfloh Carl Friedrich von Redlich aus der milden lieblichen Landschaft seiner oberfränkischen Heimat und aus seiner biedermeierlichen Geburtsstadt Bayreuth in die vergleichsweise wilde Gebirgslandschaft des Karwendels und des Ötztals?“
Wie sie vielleicht wissen, ging es zeitgeschichtlich um die Sympathie vieler Bayern für die Unterstützung der Tiroler im Freiheitskampf u.a. gegen Garibaldi, dem sich nicht wenige, so auch Carl Friedrich von Redlich, anschlossen.

Ende des Zitats

Diese Vorgeschichte erklärt vielleicht auch Ingrid Redlich-Pfunds künstlerisches Anliegen, welches immer ein politisches war und ist.

 

In den 1990 er Jahren entstehen folgende Arbeiten:  

1992 die Rauminstallation: „Fremd unter Deutscher Flagge“

1993 „Energieraum“, ebenso die Arbeit „Wasserfluss im Flusswasser“, auf die ich später näher eingehen werde.

1994 die Serie „Biotop 1 bis 6“

Zahlreiche Installationen beschäftigen sich seit Jahren mit wichtigen Geo-politischen Themen.
Der Kampf um die Verwirklichung der angestrebten Ziele diverser Weltwirtschaftsgipfel lässt ihr keine Ruhe.
Unter den in den letzten Jahren geschaffenen Installationen seien einige aufgezählt:

2011 Weltwirtschafts-Gipfel: Ausverkauf Erde.

2012 Wasser: Wem gehört das Wasser?

Ebenso

2012 Schlachtfeld Gewinnmaximierung: Ausverkauf Erde

2014 Landraub für Biosprit

Diese Arbeit wurde von der Stadt FFB angekauft.

Und immer wieder das elementare Thema Wasser. Schon in den 1990 er Jahren greift sie dieses Thema verstärkt auf.

Diese große Installation mit dem Titel: Wasserfluss im Flusswasser 1992

1. Preis der Ausschreibung „Kunst am Bau“ des Abwasser – Verbandes Amper Gruppe

Die Rauminstallation von 6 Messingplatten in 1993 entstanden, die ebenfalls den Titel WASSERFLUSS IM FLUSSWASSER trägt, ist eine Erweiterung der Installation aus 1992 und wird hier und heute zum ersten Mal ausgestellt.

1.OG Zentrum

Die Messingplatten stellen einen lyrischen Text dar, sind ein beredtes Zeichen dafür.

Der Text:

WASSERFLUSS IM FLUSSWASSER

WASSER IM WASSERFLUSSFLUSSWASSER

FLUSS IM WASSERFLUSS FLUSSWASSER IM FLUSS

WASSER IM FLUSSWASSERFLUSS

FLUSS IM WASSERFLUSSWASSER

FLUSS FLUSS FLUSS IM WASSER IM FLUSSWASSER

 

Die Messingplatten wurden später als Gussformen für Betongüsse verwendet. Diese wurden 1993 in der Kulturhalle in Ingolstadt unter dem Titel:

„Energie Objekte – Objekte Energie“, ausgestellt.

Weiß in der Serie „Auenlandschaft“

Die Farbe „Weiß“ beschäftigt Ingrid Redlich-Pfund seit 3 Jahrzehnten. Sie zieht sich praktisch wie ein „roter Faden“ durch ihre künstlerische Arbeit. Die stete Beunruhigung, die der Umgang mit dieser Farbe, viele meinen einer Nichtfarbe, mit sich bringt, kann nur jener verstehen, der mit der Subtilität dieser Farbe vertraut ist. Diese Farbe, die wie keine andere das Licht einfängt und Schatten sichtbar macht, die Farbe, die alle anderen begleitenden Farben und seien es noch so zarte, zum Leuchten bringt. Diese Farbe, die beim Beschauer alle Assoziationen zulässt, und trotzdem dem Maler nur Annäherung erlaubt, ist wie geschaffen für die Darstellung der hier zu sehenden Auenlandschaften.

In den Bildern „Auenlandschaft im Zeitraffer“ II bis VIII, entstanden zwischen 2013 und 2014, 1.OG Zentrum und im Empfang, 1. OG, Druckerzentrum, Drucker und Fax 2. OG und Sitzgruppe 2. OG  wird der Umgang mit dem Weiß zur zwingenden Notwendigkeit, bietet es der Künstlerin die Möglichkeit, eine suggestive Auensituation entstehen zu lassen. Feine, unter dem weiß liegende Farbnuancen führen den Betrachter in Phantasieräume, lässt Wasser, Schilf und Seebilder entstehen.

Die Auenlandschaft als hochsensibler Landschaftsbereich wurde in den Nachkriegsjahren an den großen Flüssen, siehe Donau, fast ausgelöscht.

Obwohl das Wissen über die reiche Vielfalt der Flora und Fauna vorhanden war, verschwanden riesige Flächen durch radikale Eingriffe, um Wasserkraftwerke zu bauen, bessere Befahrung mit immer größeren Schiffen zu gewährleisten und die Uferregionen effektiver bewirtschaften zu können.
Jetzt führt man vielerorts die Auen wieder in ihren natürlichen Zustand zurück, auch um sinnvolleren Hochwasserschutz einzurichten.

In den 2 Arbeiten, „Die Entdeckung des Himmels l und ll von 2013, 1.OG links

werden in den Auenlandschaften menschliche Figuren sichtbar. Figuren, die sich aufzulösen scheinen, schwebend im Bildraum, der Stille lauschend und dennoch mit dem Hier und Jetzt verbunden.

Quanten und Lichte Himmel von 2010, 2. OG rechts

Eine Arbeit, die vor Jahren begonnen und dann 2010 fertiggestellt wurde.
In der klassischen Mischtechnik, Tempera in nasser Harzölfarbe, aus dunklem Grund heraus entwickelt mit vielen Lasuren (die Technik, in der Tizian arbeitete)  tastete sich die Künstlerin an die jetzige Farbgebung heran. In dieser Zeit setzte sie sich intensiv mit der Quantenoptik auseinander.

Keimende Landschaft l bis V von  2010, 2. OG rechts

5 Bilder, die in feinen Farbabstufungen das Keimen in der Landschaft darstellen.
Farbfläche um Farbfläche geschichtet, Tempera und Primamalerei in Öl, bis sich schließlich ein geschlossenes Bildgefüge ergibt.

Begegnung im Schilf lll bis lX von  2013, 1. OG links und 2. OG rechts

Mit den Blindprägedrucken zeigt Ingrid Redlich-Pfund in überzeugender Weise, welchen Spielraum das Bearbeiten eines weißen Papieres, in diesem Fall handgeschöpfte Büttenpapiere, ermöglicht. Das Blatt, in manueller Weise, also ohne Druckerpresse gedruckt, lebt durch den Lichteinfall, dem Spiel mit Licht und Schatten. Die Motive erinnern an kalligraphische Zeichen, dieser Eindruck wird unterstützt durch den entstehenden Schatten. Durch die Abwesenheit der Farbe, ruht die ganze Konzentration auf der Form, zugleich vermittelt uns die Oberfläche des Papiers eine große Sinnlichkeit.
Die Papierreliefs wurden auf Leinwand aufgenäht. Ausgehend von einem dunklen Malgrund, wurde unter langwieriger Bearbeitung mit Lasur, bis zu 30 Lasuren, die jetzt zu sehende Farbigkeit erarbeitet.

Gelb

Wir kennen sie alle, diese magischen tiefgelben Rapsfelder. Wen faszinieren sie nicht. Ingrid Redlich-Pfund regen sie Jahr für Jahr zu intensiven Bildern an. Als Farbe dem Weiß am Nächsten, nimmt auch das Gelb in ihrem Oeuvre einen großen Raum ein.
In ihren großformatigen Monotypien auf Papier und Leinwand aus 2014, die Ingrid Redlich-Pfund als hervorragende Zeichnerin und Grafikerin zeigen und auch in ihren Malereien und Objekten aus

2014/2015, Landschaft Senkrecht Gelb, 1. OG rechts,

Landschaft Senkrecht Gelb/Rot, Gelb/Orange, 2. OG links

ist es die Farbe Gelb, die als vorherrschendes Ausdrucksmittel benützt wird. Später kommt die Farbe Rot dazu.

Die Darstellung der Landschaft reduziert sich weiter, wir erkennen horizontale und vertikale Linien, herbeigeführt durch „Einschnürungen“. Die Schnüre sind aus nachwachsendem Material gefertigt, aus Bananenstauden und Mais, bevorzugte Pflanzen zur Gewinnung von Biosprit.
Die Einschnürungen und die leuchtend gelben Farbräume stehen für die gewaltsame          Vereinnahmung riesiger Ackerflächen durch Lobbyisten und Spekulanten der       Ölkonzerne, zum Zweck des Anbaus schnell wachsender Rohstoffe für die      Erzeugung von Biosprit.

Gelb und Rot... nicht zufällig gewählt, diese 2 Farben deuten zum einen auf die, von der Gluthitze ausgedörrten Böden, als auch zum anderen, auf 2 große Mineralölkonzerne hin.

Bildsäule: Begegnung im Schilf von 2014, 1. OG rechts, vor der großen Monotypie Öl auf Leinwand (140/105)

Wie schon in der barocken Landschafts- Darstellung, leitet die Bildsäule unseren Blick in die Landschaft hinein um dann den Blick in die Ferne zu führen.
Der Betrachter wird zudem gezwungen, sich zu bewegen, sich den Gesamteindruck zu erlaufen. Anfang und Ende zu erkunden. Er wird gezwungen weiter und weiter zu gehen.
Vegetative Formen tauchen auf, Wasser wird assoziiert, eine südliche Landschaft vielleicht?

Acker-Land-Leben, I und II, Bildobjekte von 2014, 1. OG Zentrum

Acryl auf Leinwand und Maisschnur 

Diese Arbeiten entstanden anlässlich der Ausschreibung der Solidargemeinschaft: Brucker Land e. V.  Thema: Brot & Land -  Gestern – Heute – Morgen

zum 20 jährigen Jubiläum mit Ausstellung im Landratsamt FFB.

Auf diesen Bildobjekten gleitet das kräftige Gelb und Rot der schon besprochenen Landschaftsbilder, in frisches Frühlingsgrün hinüber. Wachsen, grünen, das Aufgehen der Saaten, frisches Wasser, jährlicher Zyklus der Natur.  

Natur und Landschaft, in der Menschen leben, abzubilden und in idealer Form vor Augen zu führen, war schon immer, zu beinahe allen Zeiten und Kulturen, ein Anliegen vieler Künstler. Landschaften repräsentieren das „Natürliche“- oder das, was wir als „natürlich“ erachten.

Im China des 4. bis 6. Jahrhunderts hatte die Landschaftsmalerei einen höheren Stellenwert als die Plastik. Schon damals wurde aber ein Grundzug der Landschaftsmalerei deutlich: Kein Maler bildet wirklich nur das ab was er sieht, was alle Welt sieht. Also ein realistisches Abbild...nein er malt, was ER sieht, nicht mit dem fotographischen Auge der Kamera sondern mit dem, was er an Wissen, Empfinden und subjektiven Vorstellungen mitbringt.

Der chinesische Maler NI TSAN, (1301 bis 1374) sagt: „ Ich male um meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Warum sollte ich mich darum kümmern, was ich sehe.“

Landschaft war schon immer Konstruktion und Erfindung in der Kunst.

Landschaft als Gegenüber des Menschen, als sein Kontemplationsraum, der die Seele spiegelt, ein solch idealistisches Landschaftskonzept, greift nicht mehr.

Landschaft als Potenz der Zivilisation ist in der Zeit der Verdrängung, der Zwischenstädte und des Agrobusiness längst eine gängige Formulierung.
Alles ist in diesem Sinne Landschaft, aber was ist sie dann noch? Ein ästhetisches Konzept, eine Um- oder Mitwelt? Ist sie tatsächlich ein Raum für das gute Leben? Wenn ja, was meinen wir damit? Wellness-Hotels, Slow Food und Sanfter Tourismus einerseits, Naturkatastrophen, Kriege und Umweltprobleme andererseits.

Heute sind wir wieder sensibilisiert auf die Notwendigkeit, unsere Natur zu schützen, wir wissen, dass sie wichtig ist als Erholungsraum für gestresste Städter aber nicht nur das, sondern wir wissen auch, dass die Natur um ihrer selbst willen erhalten werden muss.

Wir wissen, dass eine Trendwende notwendig ist, die Frage der Nachhaltigkeit muss immer und immer wieder gestellt werden.
Die Bewusstseinsbildung der Bürger muss vorangetrieben werden, auch auf diesem Weg, dem künstlerischen Weg, den Ingrid Redlich-Pfund unbeirrt weitergeht.

Ingrid Redlich-Pfund bietet uns in ihren Arbeiten die Möglichkeit, sich wieder auf das Sehen und auf den Blick hinter die Dinge einzulassen.

Der Bildraum wird für den Betrachter zum individuellen Erfahrungsraum, der sich öffnet, um allen Gefühlen und Gedanken, Platz zu geben.

Ingrid Redlich-Pfund gelingt es, trotz kritischer Thematik, ihren Arbeiten die Aura des Geheimnisvollen und Positiven zu erhalten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.



"Weiß*Übergänge*Verwandlung" von Ingrid Redlich-Pfund im Üblacker Häusl

Einführungsvortrag zur Ausstellung von Reinhard Fritz am 16. Sept. 2014

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

bevor ich mich mit Aspekten zur Wahrnehmung der ausgestellten Arbeiten beschäftige, muss ich des besseren Verständnisses wegen etwas weiterausholen.

Die Malerin Ingrid Redlich-Pfund ist in der Steiermark geboren und lebt mit ihrer Familie jetzt im Landkreis Fürstenfeldbruck. Malerei und Grafik studierte sie in Essen an der Folkwang Universität der Künste und der Europäischen Akademie für Bildende Kunst in Trier. 1989 erhielt sie den Kunstpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck. Sie entstammt, und das ist bei bildenden Künstlern nicht so oft der Fall wie z.B. bei Musikern, einer Malerfamilie. Die Malerfamilie Redlich geht auf Carl Friedrich von Redlich, der 1823 in Bayreuth geboren wurde, zurück.

Aus einer Veröffentlichung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, in der alle Künstlerpersönlichkeiten dieser Familie über mehrere Generationen ausführlich beschrieben werden, und die auf Seite 75 mit der Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund schießt, entnehme ich folgenden interessanten Satz: "Warum entfloh Carl Friedrich von Redlich aus der milden lieblichen Landschaft seiner oberfränkischen Heimat und aus seiner biedermeierlichen Geburtsstadt Bayreuth in die vergleichsweise wilde Gebirgslandschaft des Karwendels und des Ötztals?" Wie sie vielleicht wissen, ging es zeitgeschichtlich um die Sympathie vieler Bayern für die Unterstützung der Tiroler im Freiheitskampf u.a. gegen Garibaldi, dem sich nicht wenige, so auch Carl Friedrich von Redlich, tatsächlich anschlossen.

Das ist deshalb interessant, weil sich die Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund seit über 20 Jahren auch mit zahlreichen politisch-künstlerischen Installationen an die Öffentlichkeit getreten ist, von denen hier Fotodokumentationen aufliegen.

Bei mehreren dieser Installationen geht es z.B. um die Weltwirtschaftsgipfel der UN, die seit 1992 in Rio de Janeiro stattfinden und die sich mit der Frage beschäftigen, wie sich Umwelt, Wirtschaft und Entwicklung versöhnen lassen.

Dazu hat sie Installationen geschaffen, und ich möchte jetzt nur die der letzten Jahre nennen, zu Themen wie:

2011 WELT-WIRTSCHAFTS-GIPFEL: AUSVERKAUF ERDE

2012 WASSER: WEM GEHÖRT DAS WASSER?

2012 SCHLACHTFELD GEWINNMAXIMIERUNG: AUSVERKAUF ERDE

2014 LANDRAUB FÜR BIOSPRIT

Mit diesen Installationen beschäftigt sich Ingrid Redlich-Pfund mit dem Problem, dass die Mehrheit der Industrieländer kaum etwas tut, um den seit 1992 in Rio abgegebenen Versprechen nachzukommen. Es gab keine Abrüstung beim Konsum und bei der Kohlenstoff- und ressourcenintensiven Produktion, denn der Ausstoß von Emissionen und der Verbrauch von Ressourcen wurde in den reichen Staaten in absoluten Zahlen nie gedrosselt.

Politisch steht die Welt ja vor dem Dilemma, dass der Wirtschafts- und Finanzkrise einerseits mit mehr Wachstum begegnet werden soll, der Klimawandel und die wachsende Ressourcenknappheit andererseits aber nach globaler Begrenzung, nach Entschleunigung und Schrumpfung verlangen.

Eine wirklich konstruktive Verständigung darüber, welcher Entwicklungspfad aus der globalen Mehrfachkrise führen soll, findet nicht statt.

Vor diesem Hintergrund wenden wir uns jetzt den Bildern zu. Die Titel einiger Bilder führen uns in die Auenlandschaft. Auen sind Uferlandschaften von Bächen bzw. Flüssen, deren Geländeformen und Lebensgemeinschaften vom Wechsel zwischen niederer und hoher Wasserführung geprägt werden. Sie stehen als Teil der Flusslandschaft in permanentem Austausch mit dem Fluss selbst und seinem Einzugsgebiet.

Auen schaffen ständig neue Lebensräume für Pioniere unter den Pflanzen und Tieren. Das bewegte Wasser versorgt den überfluteten Boden selbst in der Vegetationsperiode ausreichend mit Sauerstoff. Die Oberflächenstrukturen und Lebensraumbedingungen werden vorrangig vom Fluss bestimmt. Durch den Wechsel von Überflutung und Trockenfallen sind Auen sehr dynamische Lebensräume mit unterschiedlichsten Standortbedingungen, die mosaikartig untereinander verzahnt sind. Auenökosysteme beherbergen eine große Vielfalt von Pflanzen und Tieren auf engstem Raum.

Jetzt merken wir auch den umweltpolitischen Hintergrund. Durch die jüngst vergangenen Hochwasserereignisse an Rhein, Oder, Donau und Elbe wurde deutlich sichtbar, dass die Flussaue zum Gewässer gehört und einen natürlichen Retentionsraum darstellt. Seitdem ist auch einer breiteren Öffentlichkeit bewusst, auch in Siedlungsbereichen der Flussaue die Überschwemmungsgebiete möglichst nicht weiter einzuengen.

Die Auenlandschaft nimmt die Künstlerin ganz meditativ als Ausgangspunkt für ihre weißen Bilder und Papierarbeiten und stellt sich bei der Betrachtung ihrer eigenen Arbeiten ganz existentielle Fragen: Was bewegt sich? Bewege ich mich? Bewegt sich die Landschaft vor meinen Augen? Lasse ich Landschaft an mir vorüberziehen, schnell und immer schneller? Laufe ich, läuft die Zeit oder bleibt sie stehen in diesen Räumen des Innehaltens, der Stille innerhalb der Bewegung. Bin ich Ruhe in der Bewegung oder sitze ich im Zug der Zeit?

Und diese Fragen bringen Ingrid Redlich-Pfund in ihrer künstlerischen Arbeit mit Weißtönen an die Grenzen der Wahrnehmung. Das Weiß ist die hellste aller Farben. Wahrnehmungs-physiologisch entsteht der Farbeindruck Weiß im menschlichen Auge immer dann, wenn ein Material das Licht so reflektiert, dass alle drei Zapfen in der Netzhaut des Auges, das sind spezielle Sinneszellen, also die Blau-, Grün- und Rot-Rezeptoren, in gleicher Weise und mit ausreichend hoher Intensität gereizt werden. Bei weniger Intensität entsteht die Grau- bzw. Schwarz-Wahrnehmung. Von den Eskimos weiss man, dass sie aufgrund ihrer Umgebung in Schnee und Eis etwa 20 verschiedene Weiß-Farbtöne erkennen und benennen können, wir Städter kommen auf vielleicht drei, vier oder fünf. Auch im zeitgenössischen Film wird immer öfter das sogenannte "white out" verwendet, eine Szene löst sich buchstäblich in Weiß auf, d.h. sie verschwindet im Licht.

Der Farbraum Weiß, insbesondere die noch als weiß erkennbaren Farbtöne unterhalb des reinen Weiß, dieser schmale Farbbereich fasziniert Ingrid Redlich-Pfund so sehr, dass er seit fast drei Jahrzehnten einen breiten Raum in ihrer künstlerischen Arbeit einnimmt.

Wenn wir uns jetzt die Bilder genauer anschauen, dazu soll und muss man nahe genug heran treten, erkennen wir den Farbaufbau. Auf einen Grund von dunklen, gemischten Farbtönen aus dem Grün-, Blau- und Rot-Bereich legt sie mit einem halbtrockenen, breiten Pinsel eine Lage Weiß auf. Dieses Weiß ist leicht streifig und lässt die unteren Farbschichten durchscheinen. Nach dem Trocknungsprozess wird in einem erneuten Arbeitsgang wieder so eine halbtrockene Farbschicht Weiß aufgetragen. In weiteren Schritten nähert sie sich dem Eindruck Weiß immer näher an. Das Risiko dabei ist, dass die weiße Farbe zu deckend wird, die Bildfläche damit zugemalt ist, und nicht mehr diese leichte Anmutung spüren lässt.

Bei der Anmutung dieser subtilen weiß-schimmernden Farbfläche denke ich an das bekannte Gedicht von Matthias Claudius vom Mond, in dem es weiter heißt: Und aus den Wiesen steiget / Der weiße Nebel wunderbar.

Ich glaube, wir sollten uns bei diesen Bildern einer Sehweise bedienen und uns einer Wahrnehmungslust hingeben, die sich die sinnlichen Qualitäten dieser ästhetischen Objekte gründlich erschließt und die dabei den Wahrnehmungsprozess nicht vorzeitig abbricht zugunsten einer einfachen Benennung oder gar einer begrifflichen Spekulation.

Und irgendwie möchte ich sie auch mit meiner Flötenmusik zu diesen Bildern hin zu dieser Einstellung begleiten.

Bei den Papierarbeiten ist die Vorgehensweise eine andere. Das handgeschöpfte Büttenpapier wird mit Wasser durchfeuchtet und von der Rückseite manuell bearbeitet. Da es auf einem weichen Untergrund liegt, ergeben sich Verformungen, die im Trocknungssprozess erhalten bleiben. Das Papierrelief ist an sich Weiß, jedoch entstehen durch die Prägung unterschiedliche Farben von Weiß je nach Lichteinfall, also auch hier eine stetige Verwandlung.

Und bei den Bildern im Vorraum verwendet Ingrid Redlich-Pfund einen pastosen Farbauftrag verschiedener Weißfarbtöne. Diese Bilder erzeugen mit ihren pastos getupften Farben verschiedener Weißtöne einen impressionistischen Eindruck, der wieder einen ganz anderen Klang entwickelt.

Ingrid Redlich-Pfund ist sich ihres malerischen Tuns durchaus bewusst wenn sie über diesen kontemplativen Malprozesses spricht. Beim absichtslosen Beobachten und Geschehenlassen kommt es, sagt sie, zu Verflüchtigung, Verwandlung, Auflösung, Ausschmelzung. Zwischen den überlagerten, farbigen Formationsschichten entsteht eine besondere, schwer einzuschätzende räumliche Qualität, ein Lichtraum sozusagen, einer Atmosphäre gleich. Die sich überschneidenden Strukturformationen sind schwebende Elemente, die das Licht der sie umgebenden Atmosphäre durchlassen. Nur durch die behutsame Annäherung an das Weiß haben die Farben direkten Anteil an der Atmosphäre.

Das reine Weiß, dessen Symbolik im westlichen Kulturkreis mit Begriffen wie Unschuld, Unendlichkeit und Reinheit assoziiert wird, bleibt zwar ersehnenswert, muss und wird dennoch unerfüllt bleiben. Diesen Zwiespalt auszuhalten ist das Thema dieser Kunstwerke.

Ein neuer Arbeitstag beginnt, das Lichte kommt, das Dunkle geht. Die Bild- Kunst zielt, obwohl sie immer neue Farben und Formen zeigt, letztlich auf das Unsichtbare hinter der Erscheinung, auf den Raum, den der Geist braucht, um sich zu entfalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.




 



 

Seite R 6 Fürstenfeldbrucker SZ, Nr. 226, 1. Oktober 2003 

Zum Nachdenken anregen 

Die Kunstpreisträgerin Ingrid Redlich-Pfund 

 Sie stuft sich als eine Künstlerin aus der Nach- Beuys- Generation ein: die Eichenauerin Ingrid Redlich-Pfund.

Foto: Scheider

Matisse war für sie ebenso prägend wie der Autor James Joyce; gleichzeitig stuft sie sich selber als eine Künstlerin aus der Nach- Beuys-Generation ein: die Eichenauerin Ingrid Redlich- Pfund. In jedem Fall aber schuf sie mit ihren  Radierungen Werke, die Auszeichnungen, wie den Kunstpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck, verdient haben. „Das Bild, für das ich 1989 den Kunstpreis erhielt; hieß Boccia", erinnert sich Redlich- Pfund. Eine zweifarbige Radierung, hergestellt nach einem verhältnismäßig komplizierten Plattenverfahren, die mittlerweile in der Neuen Pinakothek von Budrio hängt, der Partnergemeinde von Eichenau.

Doch nicht nur die Technik der Radierung ist es, die Redlich-Pfund über viele Jähre gereizt hat; ebenso lang waren es auch die Themen, die in dem preisgekrönten Werk enthalten waren: die Bewegung und das Spiel. „Bewegung, das bin ich, damit identifiziere ich mich, nicht zuletzt auch, weil ich 35 Jähre klassisches Ballett machte", erzählt die Künstlerin.. Doch es ist nicht immer nur die" Bewegung von Körpern, auch fließendes Wasser beispielsweise fasziniert Redlich-Pfund, Wasserstrudel, die sich trennen, um Hindernisse herumfluten und wieder zusammentreffen, in einem ewigen Kreislauf. Das Spiel der Menschen miteinander ist dagegen etwas, das die Eichenauerin gerne bewahren möchte.

„Ich habe den Eindruck, dass  man sich wieder stärker auf die entscheidenden Werte besinnen muss in einer Zeit, die von einem zwanghaft schnellen Zeitrhythmus geprägt ist, in der Massenkommunikation beherrschend ist", erläutert sie. Ein Spiel wie Boccia gilt in Redlich- Pfunds gleichnamiger Radierung somit auch als Gegenstück zu den Drogen, die Gemeinschaft, Wärme und Zuneigung nur vorgaukeln. „Ich wollte schon immer mit meinen Radierungen, wenigstens einen Denkanstoß liefern, wenn ich auch die Welt nicht mit ihnen verändern kann", so die Eichenauerin.

Ein Ziel, das sich Redlich-Pfund nicht nur für ihre Radierungen, sondern auch für ihre Malerei und ihre Installationen gesetzt hat, und mit dem sie regelrecht provozierend auf ihre Umwelt wirkt. „In der evangelischen Kirche in Eichenau habe ich zum Beispiel 1995 ein weißes Lichtkreuz ausgestellt, auf dem neben positiven Zeichen, wie dem Freiheitsstern, auch das Hakenkreuz und SS- Runen zu erkennen waren", erzählt sie. Es wurde von einigen Kritikern als skandalös bezeichnet, ihre Intention missverstanden. „Für mich war es durchaus schlüssig, denn abgesehen davon, dass das Hakenkreuz einst eine andere Bedeutung hatte, vereint das Kreuz selbst in sich solche Widersprüche wie Leiden , und Erlösung", findet  Redlich Pfund.

Die Farbigkeit des Kreuzes ist zudem etwas, das die Künstlerin auch weiterhin stark beschäftigt. „Mich reizt die Atmosphäre von Weiß, die Lichtelemente und die sich überschneidenden Farbigkeiten, die darin enthalten sind", so ihre Erklärung. Und so sei ihre Malerei in den vergangenen. Jahren, noch wesentlich intensiver geworden; meint Redlich-Pfund.

„Denn nichts zu sein und dennoch sichtbar zu werden ist etwas, das mich zur Zeit am meisten interessiert", erklärt sie. An der Ausschreibung zum diesjährigen; Kunstpreis hat sie dennoch nicht teilgenommen. „Dafür werde ich in zwei Jahren ein großes Projekt in Italien machen, auf' das ich mich sehr freue", erzählt sie.

Ann-Kathrin Horst 

Seite 4 / Süddeutsche Zeitung Nr. 25  FFB           ÖSTLICHER LANDKREIS          Mittwoch, 31. Januar 1996

 Zur Auseinandersetzung  in der evangelischen Kirche von Eichenau

 Das „Lichtkreuz“ diente nicht dem Frieden

Das umstrittene, mit NS- Symbolen bestückte Werk wird abgehängt / getrübtes Verhältnis zwischen Chor und Pfarrer?

Eichenau - „Was dem Frieden dient“ evangelische Friedenskirche in mit diesem Thema setzt sich die evangelische Kirche anlässlich ihres 25 jährigen Bestehens auseinander. Unter dem Motto war auch die Ausstellung eröffnet worden - jetzt, knapp drei Wochen nach dem Ende dieser Veranstaltung, gerät eines der Objekte, das Lichtkreuz von Ingrid Redlich-Pfund, in das Kreuzfeuer der Kritik. Grund, das Kunstwerk, das nun in der Nähe des Altars hängt, enthält neben sieben anderen Symbolen ein Hakenkreuz und eine SS- Rune (wir berichteten).

 

Lichtkreuz 1996 - 1 Lichtkreuz 1996 - 2  

 

NS- SYMBOLE IM KREUZ. In Eichenaus evangelischer Kirche herrscht Verärgerung über ein im Altarraum angebrachtes Kunstwerk.

Photos: Günther Reger

Von Judith Becker. Erst Sonntag vor einer Woche, kurz vor dem Gottesdienst, betrachteten drei der Chormitglieder das Kunstwerk genauer. Und entdeckten dabei die beiden Symbole aus der NS-Zeit. Ihre Reaktion: Sie weigerten sich, vor dem „Lichtkreuz" zu singen und wichen aus auf die Empore der Kirche, auf der sie ohnehin häufig musizieren.  Die  Versuche von Pfarrer Roland Mühlhaus, in seiner Predigt beschwichtigend auf die erhitzten Gemüter einzuwirken, missglückten. Seine Erläuterung, in dem Werk werde das Böse wie das Gute dargestellt, bezeichnet Chorsänger und Kirchenmusiker Christof Huhn nur als „theologischen Seiltänzertrick". Chormitglied Adolf Mohrweiß hatte sogar das Gefühl, Mühlhaus habe ihm und seinen Mit solche Symbolen des Schreckens und des Unheils hätten nichts in unserem Glaubenssymbol verloren, stellten gar eine Pervertierung" desselben dar.

In ihrem „Lichtkreuz", sagt die Eichenauer Künstlerin selbst, werde in der Mitte die Weltscheibe, im unteren und im linken Bereich Symbole des Bösen wie das, Hakenkreuz, die Runen sowie auch das Schächer-kreuz und das Anarchiezeichen dargestellt. Im oberen und rechten Arm dagegen zeigt sie das Gute, in Form des Friedenszeichens „des Freiheitssterns und des Jerusalemkreuzes. Eine Form der Darstellung, die übrigens auch im Mittelalter üblich war: unten im Kreuz das Böse, der Teufel, oben das Lichte, das Göttliche. Die Künstlerin schreibt dazu in einer Interpretation, die neben dem Kunstwerk angebracht ist: „Im Zeichen des Kreuzes vereinen sich, die Extreme, insofern. das Kreuz als Symbol die Widersprüchlichkeit der Realität in ein übergreifendes Sinnzeichen zusammenfasst."

Für Mohrweiß stellt die Verwendung der NS-Symbole in der Kirche auf alle Fälle einen Eklat dar. „Da kommt sehr viel hoch", sagt er. Und fügt entsetzt an, dass „der Dekan aus Fürstenfeldbruck beim Jubiläumsgottesdienst unter dem Hakenkreuz gepredigt hat". Unverständlich ist ihm die Haltung von Pfarrer Mühlhaus, der in der Öffentlichkeit, die eine Kirche darstelle, solche Zeichen zulasse. „Hier sollte sich die Staatsanwaltschaft drum kümmern", meint er und spricht Mühlhaus kurz darauf sein Misstrauen aus. Schließlich kämen immer weniger Menschen zum Gottesdienst seit Mühlhaus dort Seelsorger sei.

Ob die verwendeten NS-Symbole der einzige Grund für den Streit sind, ist unklar. Gerüchte, dass das Verhältnis zwischen Chor und Kirchenmusik sowie dem Pfarrer ohnehin nicht das beste sei, werden zumindest von Oswald Wendung, Verbindungsmann zwischen Chor und Kirchenvorstand, teilweise bestätigt: „Wir haben den Eindruck, dass er nicht so angetan ist", da die Musiker „Leben und' Lebendigkeit hin einbringen". Der Vertrauensmann des, Kirchenvorstandes, Arnulf Thilenius,'; dagegen weiß angeblich ebenso wie Mühlhaus nichts von einer solchen grundsätzlichen Disharmonie.               !

Wie dem auch sei: Das umstrittene Kreuz kommt weg. Mühlhaus hat bereits vor einiger Zeit alle Künstler schriftlich gebeten, ihre Werke abzuholen. Und er kann den Ärger auch nachvollziehen: "„Das Kunstwerk ist nicht leicht zugänglich."

 

 

Seite 8 / Süddeutsche Zeitung Nr. 262     FFB                                                             Dienstag, 14. November'1995

 

 

WAS DEM FRIEDEN DIENT ist der Titel einer Kunstausstellung, die am Wochenende in der Eichenauer
Friedenskirche eröffnet wurde. Unser Photo zeigt Pfarrer Roland Mühlhaus sowie die Künstlerin Ingrid
Redlich- Pfund mit ihrem
Lichtkreuz" (Bericht folgt).                                                 Photo: Scheider

 

Dazu gehört Verwirrung

 

SZ Montag 05.02.1996

 

Zum Bericht „Das Lichtkreuz diente nicht dem Frieden" vom 31. Januar:

Da sitzt man gottergeben und müde vor dem Fernsehschirm und wartet darauf, dass der Wetterfrosch endlich einmal ein paar Sonnen strahlen aufleuchten lässt, bei diesem Wetter - trist - traurig - trüb! Aber nix is' mit einem Strahlenkreuz am Fernsehfirmament, statt dessen leuchtet plötzlich ein Trumm Hakenkreuz auf goldenem Grund in die gute Stube! Ja, spinnen die jetzt beim Fernsehen, was soll denn das?
Wir haben zwar den 30. Januar, den Tag der Machtergreifung im Jahre 1933, wir schreiben aber 1996, und die SS-Runen strahlen auch noch fein säuberlich dazu! Ja, darf denn das sein?

Allmählich hole ich wieder Luft, harre der Dinge, die nun kommen müssen, und setze mich wieder hin. Aber jetzt kommt's erst! Dieses Hakenkreuz mitsamt den SS-Runen hängt seit Wochen in der evangelischen Kirche, ausgerechnet in Eichenau! Es handelt sich dabei um ein Kunstwerk, hört und sieht man, um ein Lichtkreuz! Die weiteren Informationen hole ich mir aus der „Süddeutschen", und was ich da lese, veranlasst mich sowohl als Christenmensch aber auch als Bürgerin meiner gebeutelten Seele Luft zu verschaffen.

Künstlerische Freiheit hin oder her, ein Hakenkreuz gehört nicht auf das Heilzeichen der Christenheit. Im Kreuz ist Heil für jeden Christenmenschen, aber nicht Heil Hitler. Als das Hakenkreuz als Symbol verordnet wurde, begann das Unheil! Dieses Zeichen auf den Längsbalken des christlichen Symbols zu setzen, dazu gehört schon eine gedankliche Verirrung, wenigstens für mich! Über Kunst lässt sich bekanntlich trefflich streiten, jeder soll seine künstlerischen Ideen ausleben in seinen Werken, aber in einer Kirche hat ein solches Werk nichts zu suchen. Die Leute vom Chor haben recht, in einem Sakralraum gehört so etwas nicht, da hilft auch kein Herunterspielen des Vorganges. Hier handelt es sich nicht um Intrigen, sondern um eine handfeste Tatsache, gottseidank haben sich aber viele ein gesundes Gespür bewahrt und dies auch zum Ausdruck gebracht. Unerfindlich ist nur, dass dieses Lichtkreuz (was ich übrigens auch für eine irrige Bezeichnung halte im Zusammenhang mit Hakenkreuz und SS-Runen, bekanntlich gingen die Lichter aus unter diesen Zeichen) solange in der Kirche hängen konnte, bis man Anstoß daran nahm. Gewiss, die Welt wird nicht untergehen deswegen, aber vielleicht wird man in Zukunft etwas mehr Fingerspitzengefühl und gesunden Menschenverstand bei der Auswahl künstlerischer Exponate an den Tag legen und auch die religiöse Empfindsamkeit mehr respektieren, trotz künstlerischer Freiheit. Man stelle sich vor, dieses Lichtkreuz stünde an einer Straße! Die Reaktionen der Bürger kann man sich ausmalen.

Alma Hagenbucher

Eichenau

 

Ein unglückliches „Kunstwerk" lädt zu Missverständnissen ein

SZ Montag 05.02.1996

 

Zum Bericht „Das ,Lichtkreuz' diente nicht dem Frieden" vom 31. Januar:

Als vor über zehn Jahren im ehemaligen Freizeitenheim der evangelischen Gemeinde in Eichenau die Ausstellung „Kirche unter dem Hakenkreuz" gezeigt wurde, an deren Vorbereitung und Durchführung ich mitwirken durfte, wusste jeder schon vom Namen her - und damit unmissverständlich , dass es sich um eine Auseinandersetzung mit der kirchlichen Anbiederung an den NS-Staat handelte. Freilich hatte auch Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer in diesem Rahmen einen Platz, um auch den - sehr schmalen - Widerstand darzustellen.

Anders, unglücklicher scheint mir das „Kunstwerk" benannt, welches jetzt in Eichenau zu (berechtigten) Emotionen führte. Wer in einem Werk ohne jede einschränkende Darstellung NS-Symbole verwendet, darunter das als „Sonnen-Symbol" bekannte, von den NS-Machthabern missbrauchte Hakenkreuz, und das ganze dann noch mit „Lichtkranz" betitelt, der lädt gerade zu Missverständnissen ein. Nun kann Kunst natürlich auch die gewollte Provokation zum Ziel haben, um den Betrachter zur Auseinandersetzung zu zwingen. Sowohl die -nachgereichten - Interpretationen wie  die   Beschreibung  durch  die Künstlerin (auf einem Blatt neben dem „Lichtkreuz") geben allerdings mehr einen erschreckend naiven Umgang mit diesen zum Un-Heil gewordenen Symbolen wieder, als eine (nicht) erkennbare kritische Auseinandersetzung.

Wer sich schon in der Bezeichnung an die alte Symbolik (Sonnenzeichen/Lichtkreuz) ohne Fragezeichen anlehnt und dann noch von „unten und links(!) sei das böse, oben und rechts(.*) sei das gute dargestellt" spricht, lässt nicht nur jede Sensibilität im Umgang mit jüngster schmerzlicher Vergangenheit vermissen, er muss sich auch geradezu berechtigte und notwendige Kritik gefallen lassen.

Es ist gut, dass der Chor mit seinem (sehr späten) Widerstand gegen das in Gold glänzenden Hakenkreuz (und die goldenen SS-Runen) an die gute und beispielhafte Tradition des Freizeitenheimes in Eichenau angeknüpft und damit (hoffentlich) eine Wiederholung in vergleichbarer unsensibler Form unmöglich gemacht hat!

Nicht jede Kunst verdient dieses Prädikat, wirkt eher an den Haaren herbeigezogen und „künstlich"! Gut, dass dieses „Lichtkreuz" die Friedenskirche in Eichenau nicht mehr verdunkelt!

Carl-Wolfgang Holzapfel

Puchheim

 

Das Böse Bestandteil des Lebens

 

SZ Montag 05.02.1996 Leserbrief

 

Zum Bericht „Lichtkreuz diente nicht dem Frieden" vom 31. Januar:

Die Aufregung um das „Lichtkreuz" der Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund verstehe ich nicht. Die Art, wie sie ihr Werk erklärt, finde ich verständlich. Das Böse war und wird immer Bestandteil unseres Lebens sein. Dass sie als Symbolik für das „extrem" Schlechte beziehungsweise Böse das Hakenkreuz beziehungsweise die SS-Rune wählte, ist für mich nachvollziehbar, weil dadurch das Unmenschliche, das Schlechte oder Böse ganz stark ins Bewusstsein tritt. Die weitere Erklärung, dass das Gute durch Symbole über dem Bösen steht, es damit beherrscht, finde ich ebenfalls einleuchtend.

 

Mit diesen Gedanken ausgestattet, kann man „dieses" Kreuz vielleicht als Ausdruck gelebter „Realität" sehen: Nicht nur Gutes ist allgegenwärtig, sondern auch das Böse -das Kreuz in dieser Form aber als Hoffnungsträger: Das Gute steht über dem Bösen und ist imstande, es zu besiegen.

Gertraud Konradt, Germering

 

Symbol für eine unüberbietbare Form von Grausamkeit in unserem Jahrhundert

 

SZ Montag 05.02.1996

 

Zum Bericht „Das Lichtkreuz dient nicht dem Frieden' vom 31. Januar: In Ihrem Bericht zeigt sich Herr Mohrweis entsetzt, dass „der Dekan von Fürstenfeldbruck beim Jubiläumsgottesdienst unter dem Hakenkreuz gepredigt hat". Dazu möchte besagter Dekan folgendes bemerken:

1.     Ich habe nicht „unter denn Hakenkreuz" gepredigt, sondern vor einem relativ kleinen, unaufdringlichen Kreuz, das von Ingrid Redlich-Pfund, Kunstpreisträgerin unseres Landkreises, gestaltet und der evangelische Gemeinde Eichenau für eine Ausstellung überlassen worden ist. Auch bevor ich mich darüber informiert hatte, dass die Künstlerin über jeden Verdacht rechtsextremistischer Einstellungen erhaben ist, hat mir das Kreuz zu solchen Missverständnissen keinen Anlass gegeben.

2.  Es ist sehr verdienstvoll, dass sich die evangelische Gemeinde Eichenau mit Pfarrer Mühlhaus um die Begegnung" von Kirche und Kunst bemüht und dazu immer wieder Ausstellungen durchführt. Sie sollten sich durch die jetzigen Auseinandersetzungen darin nicht beirren lassen.

Kunst darf und soll Denk-Anstöße geben. Wenn es manchmal allein bei den Anstößen bleibt, liegt das nicht immer an der Kunst. Auch ohne die Interpretation der Künstlerin und ohne Expertenwissen erschließt sich der Sinn des „Lichtkreuzes" von Frau Redlich-Pfund dem unvoreingenommenen Betrachter relativ leicht: Das Kreuz ist ein Symbol, das - wie jedes große Symbol - Widersprüche vereinigt, Leiden und Erlösung, Schuld und Vergebung, Grausamkeit und neues Leben, Erde und Himmel. Die Künstler früherer Jahrhunderte waren nicht zimperlich, auch die Schattenseiten unserer Welt darzustellen, zum Beispiel die Grausamkeit, die Christus durch die Machthaber seiner Zeit am Kreuz erleiden musste. Hakenkreuz und SS-Runen sind in diesem Kreuz zu Symbolen für eine unüberbietbare Form von Grausamkeit in unserem Jahrhundert geworden; durch die Symbole konnte die naturalistische Darstellung von Grausamkeit vermieden werden. Sie sind integriert in ein Kreuz, das auch die andere Seite gleichgewichtig und ebenfalls in Symbolen zum Ausdruck bringt: Licht, Erlösung, Frieden, positive Visionen.

4. Es fällt mir schwer, Zugang zur Aufgeregtheit der Kritiker zu finden. Wenn jemand leidvolle Erfahrungen im „Dritten Reich" gemacht hat oder ihn die Leiden anderer in dieser Zeit tief bewegen, ist es menschlich natürlich verständlich, wenn allein das Vorhandensein eines Hakenkreuzes oder einer SS-Rune als Provokation wirken kann. Aber irgendwann sollte auch die Frage folgen, in welchem Zusammenhang und mit welcher Absicht so eine Darstellung erfolgt; hinzu kommt, daß Kunst sich in der Regel auch des Mittels der Verfremdung bedient. Im Kontext der Gesamtdarstellung wird hier das Hakenkreuz zum Kreuz unserer Zeit - aufdek-kend, wozu Menschen fähig sind, erschreckend, entlarvend, provozierend, mahnend. Die Tragik der gegenwärtigen Auseinandersetzung besteht darin, dass Künstlerin und Kritiker sich in der Einschätzung jener Vergangenheit einig sein dürften und doch nicht zusammenkommen. Oder vielleicht doch noch?

5. Mir ist nicht eindeutig klar, was die Kritiker eigentlich bezwecken. Wenn sie nach dem Staatsanwalt rufen und davon reden, der Dekan habe „unter dem Hakenkreuz" gepredigt, klingt das, als wollten sie - die Gemeinde? den Pfarrer? mich? die Künstlerin? - einer rechtsextremistischen Schlagseite bezichtigen. Das wird so natürlich nicht behauptet, aber gerade das Unterschwellige an diesem Vorgang stört mich.

Oder besteht der Stein des Anstoßes allein darin, dass ein christliches Symbol, das Kreuz, durch die inkriminierten Symbole sozusagen „geschändet" wird? Wie steht es dann aber mit der grausam-realistischen Kreuzigungsszene eines Matthias Grünewald oder den Teufels- und Dämonendarstellungen eines Hieronymus Bosch? Wenn auch nicht in einem künstlerisch verantworteten Kontext ein Hakenkreuzsymbol in einem sakralen Kunstwerk auftauchen darf, müssten wir konsequenterweise auch alle Teufelsdarstellungen aus den Kirchen verbannen. Provozierend war christliche Kunst schon immer - bei den alten Meistern haben wir uns daran gewöhnt. In der modernen Kunst gibt es weit Provozierenderes als das Lichtkreuz in Eichenau, auch in der christlichen Kunst. Künstlerische Freiheit hat eine lange Tradition. Manchmal ist sie schwer zu akzeptieren. Insgesamt ist sie aber unaufgebbar -gerade angesichts unserer Geschichte.

Ulrich Finke, Dekan

Evang.-Luth. Dekanat

Fürstenfeldbruck

 

Verwendung des Hakenkreuzes ist stets unangebracht

 

Fürstenfeldbrucker SZ Montag 05.02.1996, Leserbrief

 

Zum Bericht „Das .Lichtkreuz' diente nicht dem Frieden" vom 31. Januar:

Natürlich gehört das „Böse" zum „Ganzen", das in sich „widersprüchlich" ist. Und natürlich konnte das Mittelalter - das die Welt anders sah als unsereiner - das Zeichen des „Bösen" ins Kreuz integrieren. Frühere Jahrhunderte hatten eine andere Sensibilität fürs Heilige. Unsere Epoche hingegen ist - das betrifft auch die Kirchen - „säkularisiert"; und zur Vorstellung einer säkularisierten Welt gehört es, das „Böse" nicht einer heilsgeschichtlichen „Ur-macht" zuzuschreiben, sondern zu begreifen, dass es von uns „erzeugt" wird.

Bereits der heilige Augustinus sprach übrigens schon davon, dass das „Böse" kein eigenes Sein aufweise, sondern in einer „privatio boni", einem Mangel an Gutem, bestehe. Auch wenn erst das Kreuz diesen Mangel behebt, brauchen seine Zeichen nicht in ihm vorzukommen: Als Kreuz allein bleibt es schon immer vollkommen: ein indirekter Hinweis auf das, was mit ihm prinzipiell überwunden ist.

Was Ingrid Redlich-Pfund angefertigt hat, bleibt etwas Ausgedachtes, etwas Spitzfindiges, etwas Konstruiertes mit Bezugnahme auf eine Zeit, die nicht die unsrige war. „SS-Rune" und „Hakenkreuz" sind in jeder Konstellation unangebracht, skandalös - zumal aber dann, wenn ihre „Berechtigung" erst noch (historisch) erklärt werden muss, damit sie „richtig" verstanden werden.

Historische Bildung ist vonnöten, gewiss. Doch sie muss manchmal einsehen, dass sie an Grenzen stoßen, dass sie unzuständig sein kann. Wollte jemand darauf verweisen, dass das „Hakenkreuz" (im Sanskrit „Swastika" oder „heilbringendes Zeichen") in vielen alten Kulturen als heiliges Zeichen vorkommt (etwa als Sonnenrad), hätte er sicherlich recht; doch das änderte nichts daran, dass dieses Zeichen von den Nazis ungültig gemacht wurde - auch das ist „Geschichte". Es darf nicht mehr vorkommen, Geschichte hin, Geschichte her, Bildung hin, Bildung her. Und so verhält es sich eben auch mit dem Verweis auf mittelalterliche Kreuze, in die das „Böse" einbezogen war. So geht es, gerade aus geschichtlichen Gründen, nicht mehr. (Aber nun doch noch ein Stück historisches Bildungsgut: An mittelalterlichen Domen waren die Teufel oder Dämonen außen angebracht - etwa als Wasserspeier.

Wilhelm Hock

Gröbenzell

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Friedenskirche Eichenau

 

Streit wegen NS Symbolen

 

Eichenau - Unfrieden ist in Eichenaus evangelischer Kirche ausgebrochen. Stein des Anstoßes: ein, Kunstwerk im Altarraum, das Symbole der NS-Zeit enthält. Wie jetzt  bekannt wurde, entbrannte der Ärger Sonntag vor einer Woche. Seit dem weigert sich der Kirchenchor vor dem „Lichtkreuz" der Eichenauer Künstlerin Ingrid Redlich- Pfund zu singen und dort das Abendmahl einzunehmen. 

Schon  seit gut zwei Monaten hängt das laut der Künstlerin mit Symbolen des Guten und des Bösen bestückt ist, an jenem Platz. Angebracht wurde es im November anlässlich einer Ausstellung zum 25jährigen Bestehen der Friedenskirche. Deren Motto: „Was dem Frieden dient." Erst jetzt entflammte der Streit um das einzige noch nicht abgenommene Werk. „Es ist peinlich",   bekennt   Chormitglied und Kirchenmusiker Christof Huhn,  aber der Chor habe erst am Sonntag, dem 21. Januar, entdeckt; dass das Lichtkreuz auch ein Hakenkreuz und eine SS-Rune enthalte.

Total geschockt und entsetzt", so sagt Huhn, hätten einige Chormitglieder daraufhin beschlossen, nicht mehr an ihrem angestammten Platz zu musizieren, da das Kunstwerk eine „Pervertierung unseres Glaubensymbols" darstelle, indem das „Symbol des Teufels und des Bösen"  darin dargestellt werde. Adolf Mohr weiß, ebenfalls beim Chor, attestiert: Die SS-Rune „hat die SS-Standarte
Dachau getragen, die Abertausende umgebracht. hat". Außerdem sei es strafbar, das Hakenkreuz öffentlich zu zeigen". Laut Staatsanwalt Hubert Vollmann dürfen diese Zeichen im Bereich der Kunst allerdings verwendet werden. Die Künstlerin selbst erklärt, sie habe mit dem Bild bezweckt, „die Menschen zum Nachdenken zu bewegen; dazu, ihre Handlungen vorher zu überprüfen.

bec

 

SZ  Ausgabe Süd 25. Mai 1995

 

Lässiges und Nachdenkliches

Malerin Ingrid Redlich-Pfund stellt in Grünwald aus

 

 

INGRID REDLICH-PFUND erklärte in Grünwald die Arbeiten in ihrer Ausstellung, hier neun Betongüsse mit einem Schriftrelief „Erstarrte Wasserkraft".                                                                                                                                                             /Photo: Schunk

 

Grünwald - Auf Einladung des Grünwalder Kunstforums stellt die Architektin und Malerin Ingrid Redlich-Pfund eine Auswahl ihrer Arbeiten im Bürgerhaus aus. Es sind Zeichnungen, Reliefs aus getriebenem Metall, Blinddrucke und eine Assemblage, die, wie auch die anderen Arbeiten, zum Verständnis für Leben und Natur hinführen will. „Elementare Bewegungen" nennt die Künstlerin großformatige Arbeiten auf Papier, die im manuellen Prägedruck mit Darstellungen im Charakter von Zeichnungen versehen worden sind. Es sind durchweg großzügig-lässige Silhouetten von Frauenkörpern. Durch das Weiß in Weiß und die etwas manirierte Linienführung bleibt es eher bei der vordergründigen Botschaft von Ästhetik und Harmonie.

Die Zeichnungen dagegen, durchweg Tusche auf Papier, und die Materialbilder aus Metallplatten, die mit einem Netzwerk von handgetriebenen Linien versehen und bemalt sind, geben einer eigenwilligen Interpretation der energetischen Schwingungen der Natur Raum. Geht es konkret um Gras? Geht es um die tänzerischen Rhythmen einer stets in Bewegung befindlichen und stets schöpferischen geistigen Struktur?

Die Assemblage ist ein Stille-Raum, gebildet aus hellen Platten, die ebenfalls solche kürzelartigen Strukturen tragen, und eine Säule aus würfelartigen Elementen. Dieses Objekt wie auch die Ausstellung insgesamt verlangt die Bereitschaft des Betrachters zum meditativen Einlassen und eine hintergründigere Sicht, als sie die schnelllebige Zeit in der Regel zulässt. Vielleicht hat sie deshalb in diesem häufig begangenen, offenen Foyer den rechten Platz. Vielleicht auch nicht.

INGRID ZIMMERMANN

 

Seite 4 / Süddeutsche Zeitung Nr. 101 FFB GERMERING Mittwoch, 3. Mai 1995

 

 

„AUS GRÄBERN" HEISST DIE ARBEIT, die Ingrid Redlich-Pfund gestern auf dem Therese-Giese-Platz installierte. Die Schriftzüge auf der rechteckigen Anordnung von Betonplatten erscheinen seitenverkehrt: Vater - Mutter - Stock - Steine - Opfer - Brot - Heimat - Unser - Land. Die Platten wurden in Sand verlegt, der vom Bauhof angefahren wurde. Die Installation ist Teil einer Initiative, die Ingrid Redlich-Pfund mit der Germeringer Künstlerin Constanze Wagner, die gestern daneben zwei Kreuze aufstellte, in Gang setzte. Am Freitag, 5. Mai, sind an den Erinnerungskunstwerken zum 50sten Jahrestag der Beendigung der Nazi-Greuel zahlreiche Aktionen geplant.                                                                                                                 Photo: Ortwin Scheider

 

Welt der Frau 2 / 93 Seiten 30-31

Ingrid Redlich-Pfund will mit Rauminstallationen den Betrachter zu einem Teil ihrer Kunst werden lassen.

Kunst be- greifbar machen

von Michaela Pfaffenwimmer

Ingrid Redlich-Pfund demonstriert die Beweglichkeit ihrer Skulpturen.

„Mein Hauptinteresse gilt der unterschiedlichen Darstellung von Bewegung", erklärt die 45jährige Künstlerin Ingrid Redlich die Triebkraft für ihre Arbeit. Jeder Mensch ist in ständiger Unrast auf der Suche nach Erkenntnis, auf der Suche nach dem Sinn des Daseins schlechthin, denn wir leben in einer Gegenwart, die einem sich mehr und mehr beschleunigenden Zeitrhythmus unterworfen ist". Bewegung ist im weitesten Sinn zu verstehen: „Wenn ich fließendes Wasser betrachte, sehe ich Wellen und Strudel, die sich vereinigen und wieder trennen. Sie sind keine unabhängigen Gebilde, sondern Teile einer ganzheitlichen Bewegung."In allen ihren Arbeiten versucht Ingrid Redlich, Bewegung in Kunst umzusetzen. Deshalb gehören Tanz und Musik ebenso zu ihrem Leben, sind wie Quellen, aus denen sie als Künstlerin schöpfen kann. Seit fast 30 Jahren tanzt sie Ballett, 13 Jahre hat sie Klavier gespielt. An ihren Körperbewegungen, kraftvoll aber zugleich graziös, an der geraden Haltung spürt man das jahrelange Training. Aus ihrer Balletterfahrung entstehen immer wieder neue "Skizzenblätter", mit denen sie versucht, tänzerische Bewegungsabläufe in Linien und Flächen festzuhalten.

Ständig in Bewegung

Ingrid Redlich ist in Österreich geboren und lebt seit 1988 in Eichenau bei München. Dass sie Künstlerin werden wollte, hat sie schon sehr früh gewusst. Da gab es als Vorbild eine Tante Mia, Urgroßmutter Wilhelmine Redlich, eine bekannte Malerin, den Urgroßvater Josef und den Ururgroßvater Karl Redlich, beide Aquarellmaler und Lithographen. Von diesen Vorfahren aus der väterlichen Verwandtschaft stammt wahrscheinlich auch ihr Talent. Vorerst aber fügte sie sich dem Willen ihre Eltern, „etwas Ordentliches" zu lernen, und absolvierte an der Höheren Technischen Lehranstalt Innsbruck ein Hochbaustudium. Nach mehrjährigen Aufenthalten in Italien, England und Spanien ließ sie sich gemeinsam mit ihrem Mann in Deutschland nieder und besuchte Zeichen- und Malkurse an der Volkshochschule in Essen. Trotz ihrer beiden kleinen Kinder und einem Ehemann, der beruflich viel auf Reisen war, begann Frau Redlich, an der Folkwangschule in Essen Malerei und Graphik zu studieren. Über die Europäische Akademie in Trier belegte sie Kurse bei den Professoren Gassmann (USA), Guiffret (Frankreich) und Allen (England). Ihrem Sohn und ihrer Tochter zuliebe stellte sie die künstlerische Arbeit hinter die Mutterpflichten zurück. Obwohl sie die gedankliche Beschäftigung mit einer künstlerischen Idee tagsüber nicht losgelassen hat, verlegte sie die Arbeit in die Abendstunden.

 

Heute ist das anders. Im Haus ist es ruhig geworden. Der Sohn studiert in München und die jüngere Tochter lebt nicht mehr daheim. Ingrid Redlich ist mit ihrem Atelier vom Dachboden, der zu beengend zum Arbeiten war, in den großen Kellerraum übersiedelt, der mit Neonröhren taghell erleuchtet werden kann. Sie braucht und genießt die Ruhe zum Arbeiten. Eine Arbeit, die Ausdauer, Disziplin und Kontinuität verlangt.

Veränderungen darstellen

In der Küche hängt ein in grellen, bunten Farben gehaltenes Ölbild der Künstlerin aus vergangenen Jahren. Die Farbradierungen an den Wänden im Wohnzimmer und die gedruckten Pastellvariationen haben in zahlreichen Ausstellungen große Beachtung gefunden. Die Künstlerin sieht sich aber in diesen Bildern nicht mehr. Die Zeit der Farben ist vorbei. Dem Weiß in ihren Aktbildern stellt sie jetzt ihre schwarzen Skulpturen gegenüber.

Sie hat sich verändert und deshalb seit einiger Zeit einer völlig anderen künstlerischen Ausdrucksform zugewandt. Nicht zuletzt als Ventil für Auswirkungen von schweren Krankheiten in ihrer Familie, die sie am meisten belastet haben, Veränderungen für die Familie brachten, und mit denen jedes Familienmitglied auf seine Weise umgehen lernen muss.

Als Rückzug aber zugleich als Befreiung beschreibt sie ihren vierwöchigen Arbeitsaufenthalt im Kloster Fürstenfeld in Fürstenfeldbruck im vorigen Jahr. In der in diesem Kloster eingerichteten Kulturwerkstatt hatte sie die Möglichkeit, den kargen Raum - weiße Wände und romanische Rundbögen - zu bearbeiten. „Es war für mich wie eine Klausur. Abgeschirmt, kein Telephon. Ich war im Raum und mit dem Raum allein. Ein bildender Künstler denkt, bringt seine Gedanken zum Ausdruck, indem er arbeitet. Man redet nicht darüber, man macht es." Das Resultat dieses einmonatigen Klosteraufenthalts war ein Bilder- und Skulpturen-Szenario im Raum: sieben schwarze Stelen, das sind freistehende, mit Inschriften versehene Säulen, drei Bilder aus naturweißem Büttenpapier mit graphisch streng angeordneten Buchstabenreliefs - und sonst nichts.

Alles ist Bewegung

Ihre Werkstatt im Kloster wurde für Besucher geöffnet. Der Besucher konnte die schwarzen Holzsäulen der Rauminstallation berühren, an den beweglichen oberen Teilen der Stelen drehen, mit der Hand über die Landschaften, die Buchstaben an ihrer Oberfläche streichen.

Jeder, der den Raum betrat, hat sogleich versucht, die auf drei Bildern angeordneten Buchstabenreihen zu entziffern. Farblose Buchstabenreihen, in denen der Betrachter vergeblich nach sinngebenden  Beziehungen der Buchstaben, nach Wörtern Ausschau gehalten hat. Wo liegt dieses Rätsels Lösung? Die Künstlerin las Zeile für Zeile, von links nach rechts, von rechts nach links, Buchstaben flössen ineinander. Ingrid Redlich demonstrierte eine in Einzelteile zerlegbare, eine zerstreute Sprache, in der es keinen Anfang und kein Ende gibt. Keine Hierarchien der Buchstaben und keine Buchstabenreihe, die nicht umgekehrt betrachtet werden kann. Diese Letternbilder stellen somit letztlich unser Zeichensystem in Frage: die Sprache. Ein Raum, in dem die Künstlerin auf Farbe verzichtet hat, war entstanden. Ein Raum, in dem Schriftzeichen ihre Bedeutung verlieren. Und sich der Besucher drastisch mit dem Wesentlichen des Raumes konfrontiert sieht: einem Sturz ins Leere, wenn äußerliche Formen und Ästhetik keinen Sinn mehr ergeben, und der Mensch gezwungen ist, sich mit den inneren Werten auseinanderzusetzen.

Eine ähnliche Rauminstallation entstand für eine Ausstellung im Landkreis Fürstenfeldbruck. Eine religiöse, philosophische Auseinandersetzung mit dem Tod unter dem Titel „Tod,  Todesengel,  Jenseitsfahrt".   Die  Beschäftigung mit dem Tod war für die Künstlerin Aufwühlung und Beruhigung zugleich, den Tod als Teil des Lebens akzeptieren zu lernen, ihn „selbst-verständlich" zu machen.

Dieses Prinzip liegt allen Werken der Künstlerin zugrunde. „Denn Kunst darf nicht künstlich' sein, sie muss natürlich, leicht und klar wie Wasser sein, so elementar, so selbstverständlich, so beweglich wie Wasser sein."

 

Seite 4 / Süddeutsche Zeitung Nr. 97 FFB                       Kultur                        Mittwoch 28. April 1993

 

Ausstellung Amper-e

 

 EIN HIGHLIGHT der Brucker Ausstellung Amper-e: Der „Energieraum“ von Ingrid Redlich-Pfund . Die Ausstellung war  in den Innenräumen von Kloster Fürstenfeld  geöffnet.                                                                                                                                                                                Photo Ortwin Scheider

Die Künstlerin sagt:

In meiner Arbeit "Energieraum" geht es um das Erspüren von Frequenzen der Wahrnehmung, auf denen innerhalb einer ordnenden Rhythmik und gegensätzlicher Spannungen der Energiestrom fließt. Die sechs Stelen, in sich selbst ruhend jedoch beweglich, bilden jede für sich eine dynamische Einheit und stehen sowohl untereinander in Beziehung, als auch in ihrer Gesamtheit zum Ganzen des Raumes. Dieser hat die Form einer Wabe, deren sechste Seite geöffnet ist und bildet einen Resonanzraum für die Stelen und ihre beweglichen Elemente.

Ziel meiner Arbeit ist es, kosmische Energien hereinzulassen, eine positive Aufladung von Bewusstseinsströmen und eine Ausdehnung nach innen zuzulassen.

Eine Loslösung von Zwängen und Rollen, eine Auflösung von Raum und Zeit ist das Ziel und kann als Gegensteuerung zur Überfrachtung mit negativem Gedankengut durch die potenzierende Wirkung der Massenmedien verstanden werden. Jeder einzelne von uns ist in der Steuerung seiner Energien frei

 

 

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Samstag/Sonntag, 8./9. Mai 1993     FFB        Kultur

 

 

SEIT DONNERSTAG IN BETRIEB: Die Radierpresse in „Haus 10", von links der Kulturreferent  Wollenberg, Ingrid Redlich-Pfund sowie Petra Bergner.                                                                                                              Photo Ortwin Scheider

 

Neuer Baustein für ein Kulturzentrum

Radierpresse in „Haus 10" in Betrieb genommen / Hoffnung auf Bildhauerwerkstatt

Seit letzten Donnerstag können sich die Künstler aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck und der Umgebung glücklich schätzen: In der Kulturwerkstatt „Haus 10" wurde die Druckwerkstatt eröffnet, in der die Künstler an Radierungen arbeiten können. Hierfür steht bereits eine Druckpresse zur Verfügung.

Die Eichenauer Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund, die die Druckwerkstatt in „Haus 10" (Kloster Fürstenfeld) von nun an betreut, wies darauf hin, dass noch eine zweite, größere Druckpresse in den nächsten Wochen aufgestellt werde. Für die technische Einrichtung der Druckwerkstatt bewilligte das bayerische Kultusministerium im Rahmen eines Programms zur Förderung von Künstlerwerkstätten 50 000 Mark.

Mit diesen finanziellen Mitteln konnten die beiden Druckpressen und sonstige Kleingeräte angeschafft werden. Jetzt fehlen noch

zwei Papierschränke (DIN A0), Kleinmöbel und ein hochwertiger Staubsauger. Die Künstler hoffen, dass sich entweder Sponsoren oder Privatleute finden, die aushelfen können. Auch gebrauchte Möbel sind willkommen.

Wie man eine Radierplatte herstellt und wie man mit einer Radierpresse umgeht, zeigte die Fürstenfeldbrucker Künstlerin Petra Bergner anlässlich der Eröffnung der Werkstatt. In Zukunft können allerdings nur diejenigen Künstler in der Druckwerkstatt arbeiten, die mit der Technik bereits vertraut sind.

Wenn die neue Werkstatt voll funktionsfähig ist, sind auch Seminare geplant, in denen man die Radiertechnik erlernen kann. Die Werkstatt steht den Künstlern aus der ganzen Region zur Verfügung, wozu beispielsweise auch Dachau, Landsberg und Weilheim gehören.

Neben den Geldern für die Druckwerkstatt stellte das Kultusministerium weitere Mittel in Höhe von 50 000 Mark für die Einrichtung einer Werkstatt für plastisches Gestalten zur Verfügung. In diesem Zusammenhang hat die Künstlerschaft des Landkreises die Ankündigung der Bürgermeisterin Eva-Maria Schumacher und des Kulturreferenten Klaus Wollenberg mit Freude aufgenommen, dass „Haus 11" und „Haus 12" auf dem Areal von Kloster Fürstenfeld saniert werden sollen. Denn Teile des Erdgeschosses bieten sich geradezu an, um hier eine Werkstatt für plastisches Gestalten einzurichten.

Vor diesem Hintergrund hoffen die Künstler, dass ihnen hier Raum zur Verfügung gestellt wird. Damit wäre ein spannungsvoller und dialogfördernder Austausch zwischen den Künsten und den Künstlern auch während der Arbeit gewährleistet.         

 

Christine Hamel

 

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FEUILLETON    Süddeutsche Zeitung Nr. 11  / Seite III 15. Januar 1992

DAS ZEICHENSYSTEM SPRACHE in Frage stellen:

Ingrid Redlich-Pfund (rechts) tut dies im „Haus 10" mit ihren Lettern-Bildern

Photo: Ortwin Scheider

Sprache als Irrweg

Ingrid Redlich-Pfunds Lettern-Kunst im „Haus 10“

 

 

Ellschaft" liest der Betrachter erlöst, weil er doch noch etwas in Ingrid Redlich-Pfunds Lettern-Kunst findet, das nach traditionellen Zuordnungsregeln funktioniert: Denkt man sich ein „Ges-" davor, hat man halt die Beziehung zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem wiederhergestellt. Doch weiter sucht der Betrachter vergebens nach sinngebenden Buchstabenbeziehungen. Die Lettern-Bilder Ingrid Redlich-Pfunds, die die Eichenauer Künstlerin zusammen mit sieben Stelen in der Kulturwerkstatt des Hauses 10 im Kloster ausgestellt hat, demonstrieren vielmehr parzellisierte, partikularisierte und zerstreute Sprache, in der es keinen Anfang gibt und kein Ende, keine Buchstabenreihe, die nicht umgekehrt werden könnte, keine Hierarchien. säumten Gewebe von Sprachfragmenten gegenüber, durch die er sich seinen eigenen Irrpfad schlagen muss. Dass er darüber hinaus auch an den beweglichen oberen Teilen der Stelen drehen kann, gehört zur Konzeption des Raumes, in dem jeder, dem Beuysschen Diktum entsprechend, zum Künstler wird. Beobachtetes wird hier zum Konstrukt des Beobachters.

Bei dem Werkstattgespräch, zu dem Ingrid Redlich-Pfund eingeladen hatte, verweist die Künstlerin immer wieder auf die Referenzliste ihrer Kunst, die auf James Joyce und seine Erzähltechnik der unvermittelten und assoziativen Folge von Bildern und Gedanken zurückgeht. Ingrid Redlich-Pfund hat sich mit ihrer Kunst ganz diesem Bewusstseinsstrom verordnet, der Unvereinbares zusammenkomponiert, Zusammengehöriges trennt und das zeitliche Nacheinander in ein räumliches Nebeneinander auflöst.

Der Raum, den Redlich-Pfund im „Haus 10" gestaltet hat, baut einen Pendelgang zwischen Verweisen und Entsagen auf und trifft den Betrachter mit dieser antagonistischen Spannung. Diese wird auch von dem Schwarz der Stelen und dem monochromen Ton des Büttenpapiers getragen, das vor weißen Wänden hängt. Durch den Verzicht auf Farbigkeit konzentriert sich der Raum auf das Wesentliche: einen Sturz ins Leere, in dem die Zeichen ihre Referenten verlieren. Die Lettern-Bilder stellen radikal das Zeichensystem in Frage, nach dem wir leben: die Sprache: Sie spiegeln wie selbstverständlich das, was im Poststrukturalismus von Roland Barthes in die Formel gefasst ist: „Wenn wir unsere Gesellschaft in Frage stellen wollen, ohne zugleich die Grenzen der Sprache zu bedenken, mittels deren wir sie in Frage zu stellen vorgeben: Das ist so, als wolle man den Wolf vernichten und machte es sich in seinem Rachen bequem." So stellt sich in Redlich-Pfunds Raum neben aller eigener und persönlicher Erfahrung, ob gewollt oder ungewollt, auch ein Bezug zur „Ellschaft" her.

                Christine Hamel

 

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Fürstenfeldbrucker Tagblatt, Mittwoch 15. Januar 1992 FFB6

 

Kunst als greifbares Erlebnis

Werkstattgespräch mit der Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund in Haus 10

Fürstenfeldbruck - „Ich möchte meine Kunst unter Menschen bringen, meine Werke präsentieren und Kunst meinem Publikum bewusst machen." Am vergangenen Sonntag öffnete Ingrid Redlich-Pfund, Trägerin des Fürstenfeldbrucker Kunstpreises 1989, die Türen von Haus 10 im Klosterareal, um Kunstinteressierten in einem Werkstattgespräch Auskunft über ihre neuesten Arbeiten zu erteilen.

Der Blick fällt auf das Bilder- und Skulpturen-Szenario: Sieben schwarze, rechteckige, schmale Holzstelen und drei Bilder aus naturweißem Büttenpapier mit graphisch streng angeordneten Buchstabenreliefs- sonst nichts. Man kann den Kunstraum betreten, die Stelen berühren, sich ganz dem Rätsel der erhabenen, farbenlosen Buchstabenreihen hingeben, die scheinbar weder Wort, noch Satz, noch Sinn ergeben wollen. Und dennoch ahnt der Betrachter, dass sich dahinter eine Botschaft verbirgt, die man durch eine besondere Lesart entschlüsseln kann.

Ingrid Redlich-Pfund hilft und liest den Text Zeile für Zeile, von links nach rechts, von rechts nach links in einer fließenden Bewegung: „Desensibilisierung für die Schattenseiten einer ästhetisch narkotisierten Gesellschaft." Des Rätsels Lösung gibt neue Rätsel auf. Die Eichenauer Künstlerin, die ursprünglich im Graphikdesign tätig war, entpuppt sich mit diesem Satz als Kritikerin unserer Zeit. „Ästhetik als Rauschmittel", so Redlich-Pfund weiter, „bedeutet die Zersetzung der Gesellschaft." Ihrer Meinung nach orientiert sich der konsumverwöhnte Mensch der westlichen Welt in seinem Denken und Handeln vor allem an äußerlichen Formen, an der Verwirklichung einer perfekten Ästhetik. Deshalb verliert er die Achtung vor den kleinen Dingen des alltäglichen Lebens, den Blick für das Wesentliche, für die inneren Werte.

Die Künstlerin entwickelt ihre „Kunstphilosophie" aus ihren eigenen Lebenserfahrungen heraus. „Die Welt, in der ich lebe und das Bild, das ich mir von ihr mache, ergeben ein Ganzes, das sich jedoch in getrennt existierenden Bruchstücken und Teilen in meiner Erfahrung niederschlägt. Ich sehe die Welt als allumfassendes Fließen von Ereignissen und Strukturen in Bewegung."

In ihrem Werk widmet sich Ingrid Redlich-Pfund der Darstellung dieser fließenden Bewegungen. Indem der Betrachter der Buchstabenreliefs den abgebildeten Satz in Schlangenlinien lesen muss, wird er mit der Idee als „allumfassenden Fließens" zum erstmal konfrontiert. Streicht er mit seinen Händen schließlich über die glatte Oberfläche der Holzstelen, lösen sich deren Spitzen in bewegliche Einzelkörper auf, die sich unabhängig voneinander um die Achse der unteren, starren Skulpturenteile drehen können. Alles ist Bewegung.

Kunst wird hier sprichwörtlich zum be- greifbaren Erlebnis. Die Künstlerin hat es bei dem Gespräch verstanden, den Betrachter selbst zu einem Teil ihrer Kunst werden zu lassen und diese lebendig, erfahrbar in das tägliche Dasein zu integrieren.

Andrea Dederra

Mit der Darstellung von Bewegung setzt sich die Eichenauer Künstlerin Ingrid Redlich-Pfund in ihrem neuesten Werk in der Kulturwerkstatt Haus 10 auseinander.                                                                                Foto: Hartmann

 

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SZ Donnerstag 10. Mai 1990, FFB Feuilleton

 

Bewegungen und Momentaufnahmen

Kunstpreisträgerin Ingrid Redlich-Pfund zeigt ihre neuen Werke in München

Fließendes Wasser ist mein eigentliches künstlerisches Vorbild, sagt die Graphikerin Ingrid Redlich-Pfund. Wasser ist elementar und selbstverständlich, so sollte auch Kunst sein. Es geht der Eichenauer Zeichnerin um die Darstellung von Bewegung, und das kühle Nass erscheint ihr als das Medium mit den größten Interpretationsmöglichkeiten. Wellen und Strudel, Gischtspritzer oder Rinnsale sind Teile eines ganzheitlichen Bewegungsablaufs und dienen der Künstlerin als Ausgangspunkt zum kreativen Schaffen. Aber nicht das naturalistische Abbild ist gesucht, in vielen Abstraktionsprozessen wird die Essenz der Bewegung herausgefiltert So geraten Strudel zu Kreisen, Wassertropfen zu Punkten und Wellen zu geschwungenen Linien.

Ingrid Redlich-Pfunds momentaner Schwerpunkt liegt in den „Manuellen Blinddrucken". Diese Methode hat die Künstlerin aus der Technik der Kaltnadelradierung weiterentwickelt. Sie hat hierbei die Kaltnadel durch das Falzbein und die Metallplatte durch Papier ersetzt. Das Büttenpapier , wird gewässert und anschließend, seitenverkehrt zur Skizzenvorlage, auf der Rückseite mit dem Falzbein bearbeitet. So entsteht durch den Druck des Zeicheninstruments auf der Vorderseite automatisch eine reliefartige Struktur. In diesen Blättern verzichtet die Graphikerin auf jegliche Farbe. Sie sieht das Weiß des Papiers als Symbol der Reinheit und des Geistes. Der monochrome Ton des Büttenpapiers verstärkt dabei die künstlerische Aussage der Blindprägung und konzentriert das Sujet auf das Wesentliche.

Im letzten Oktober wurde Ingrid Redlich-Pfund mit dem Kunstpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck 1989 ausgezeichnet Eine Fachjury wählte ihre Farbradierung ,Boccia" in der Sparte Graphik zur besten Arbeit „Boccia" ist noch eines der früheren gegenständlichen Bilder der Künstlerin. In diesem Blatt thematisiert die Zeichnerin den Symbolgehalt der Kugel'. Als Alternative zu Massenkonsum und Kommunikationsarmut unserer heutigen Zeit kann das Bocciaspiel jedoch auch betrachtet werden. Die Gemeinde Eichenau kaufte das preisgekrönte Werk und machte es der italienischen Partnerstadt Budrio (Emilia Romagna) bei einem Besuch zum Gastgeschenk. Nun ziert die prämiierte Malerradierung die Wände der Pinakothek in Eichenaus südlicher Partnergemeinde.

Wer nicht extra nach Italien will, kann es auch näher haben. Das Kunstforum im Arabellapark München zeigt noch bis zum 31. Mai (Montag bis Freitag 10 bis 19 Uhr) einen Querschnitt von Arbeiten der letzten Jahre. Unter dem Motto „Wellen-Wirbel-Ströme" präsentiert Ingrid Redlich-Pfund neben manuellen Blinddrucken noch Farbradierungen, Bleistiftzeichnungen und Siebdrucke in den Räumen am Rosenkavalierplatz. Die Verkaufsausstellung gestaltet sich über zwei Etagen. Im Erdgeschoß hängen die meisten abstrakten Blinddrucke, und im ersten Stock sind Siebdrucke und Radierungen der Jahre.1986 bis 1987 zu besichtigen.

Nicht nur abstrakte wie kalligraphische Zeichenkürzel sind bei den Blinddrucken auszumachen, einige der ausgestellten Exponate lassen die Arabesken von verschachtelten Frauenkörpern erkennen. Hier verdichten sich die Linien und lösen sich wieder auf, Körperüberschneidungen stehen als Kontrapunkt zur freien Fläche. Die Relieflinien bündeln die ornamental wirkenden Gestaltsfragmente zu einer formal konzipierten Einheit Je reduzierter die Mittel, desto ausdrucksstärker geraten die Kompositionen der Eichenauer Künstlerin.__

Etwas versteckt gehängt vier kleinformatige Bleistiftzeichnungen, die wie Vorskizzen zum Bewegungssujet anmuten. Diese interessante Ergänzung komplettiert und verdeutlicht das kreative Moment Erwähnenswert in der Exposition auch die farbigen Malerradierungen „Klang I, II, III". Zarte Töne (grün, gelb, rosa) kontrastieren mit dunklen Pinselgesten. Drei abstrakte Werke, deren zeichnerischer Ursprung, die Abbildung des Weihnachtsoratoriums, nur noch anhand einer Erklärung der Künstlerin, nachvollziehbar ist Dann aber tauchen Geigen und Posaunen vor dem Betrachterauge auf.

Ingrid Redlich-Pfund wurde 1947 in Gratwein bei Graz geboren. Nach einem Architekturstudium in Innsbruck ging sie. für einige Jahre ins Ausland. Italien, England und Spanien waren ihre Stationen. Während dieser Zeit arbeitete sie als Dolmetscherin. In der Bundesrepublik begann sie 1976 mit Zeichen- und Malkursen an der Volkshochschule in Essen. Von 1983 bis 1988 studierte Ingrid Redlich-Pfund an der Folkwangschule in Essen Malerei und Graphik. Über die Europäische Akademie in Trier belegte sie Kurse bei den Professoren Gassmann (USA), Guiffret (Frankreich) und Allen (England). Seit 1988 lebt die Graphikerin in Eichenau. Durch die Verleihung des Kunstpreises wurde man im Fürstenfeldbrucker Landkreis auf die Künstlerin aufmerksam, und sie wird sicher eine Bereicherung für das Brucker Kulturleben bedeuten. 

Stefan Wehmeier

 

 

INGRID REDLICH-PFUND, im letzten Jahr mit dem Kunstpreis des Landkreises ausgezeichnet, stellt noch bis zum 31. Mai ihre neuen Graphiken im Kunstforum des Arabella-Parks München aus. Die Galerie ist von Montag bis einschließlich Freitag jeweils von 10 bis 19 Uhr geöffnet.   

Photo: Scheider